26.02.2004 Görgülü gegen Deutschland (EGMR)

Rechtssache G. gegen DEUTSCHLAND
(Individualbeschwerde Nr. 74969/01)

Verletzung von Artikel 8 (Achtung des Familienlebens) durch die Verweigerung des Umgangs des Beschwerdeführers mit seinem leiblichen Sohn, der bei Pflegeeltern lebt.

URTEIL

STRASSBURG

26. Februar 2004

In der Rechtssache G. ./. Deutschland
hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Dritte Sektion) als Kammer mit den Richtern
Herrn L. CAFLISCH, Präsident,
Herrn G. RESS,
Herrn P. KŪRIS,
Herrn B. ZUPANČIČ
Herrn J. HEDIGAN,
Frau M. TSATSA-NIKOLOVSKA,
Herrn K. TRAJA
und Herrn V. BERGER, Sektionskanzler,
nach nicht öffentlicher Beratung am 20. März 2003 und am 5. Februar 2004
das folgende Urteil erlassen, das an dem zuletzt genannten Tag angenommen wurde:

VERFAHREN

1. Der Rechtssache lag eine Individualbeschwerde (Nr. 74969/01) gegen die Bundesrepublik Deutschland zugrunde, die ein türkischer Staatsangehöriger zazaischer Abstammung, G. („der Beschwerdeführer“), am 18. September 2001 nach Artikel 34 der Kon¬vention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten („die Konvention“) beim Ge¬richtshof eingereicht hatte.
2. Der Beschwerdeführer, für den Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, war vertreten durch Frau Z., Rechtsanwältin in B.. Nach der Entscheidung über die Zulässigkeit war er auch vertreten durch Herrn K., Rechtsanwalt in M.. Die deutsche Regierung („die Regierung“) war vertreten durch ihren Verfahrensbevollmächtigten, Herrn Ministerialdirigent K. Stoltenberg.
3. Der Beschwerdeführer machte insbesondere geltend, dass eine Gerichtsentscheidung, mit der ihm der Umgang mit seinem Sohn und das Sorgerecht für ihn verweigert wird, sein Recht auf Achtung seines Familienlebens nach Artikel 8 der Konvention verletzt habe. Ferner rügte er nach Artikel 6 Abs. 1 der Konvention, dass das Gerichtsverfahren nicht fair gewesen sei. 
4. Die Beschwerde wurde der Dritten Sektion des Gerichtshofs zugewiesen (Artikel 52 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs). In dieser Sektion wurde die Kammer, welche die Rechtssache prüfen sollte (Artikel 27 Abs. 1 der Konvention), gemäß Artikel 26 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs gebildet.
5. Mit Entscheidung vom 20. März 2003 erklärte der Gerichtshof die Beschwerde in Teilen für zulässig.
6. Der Beschwerdeführer und die Regierung gaben jeweils Stellungnahmen zur Begründetheit ab (Artikel 59 Abs. 1 der Verfahrensordnung).
7. Die türkische Regierung erklärte, nachdem sie über ihr Recht auf Beteiligung unterrichtet worden war (Artikel 36 Abs. 1 der Konvention und Art. 61 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs), dass sie nicht Stellung nehmen werde.

SACHVERHALT

I. DER HINTERGRUND DER RECHTSSACHE

A. Tatsächlicher Hintergrund
8. Der 19… geborene Beschwerdeführer ist in K., Deutschland, wohnhaft.
9. Er ist der Vater des Kindes C., das am […] in L. nichtehelich geboren wurde. 
10. Der Beschwerdeführer lernte die Kindesmutter (Frau M.) 1997 kennen. 1998 planten sie zu heiraten, jedoch sagte Frau M. die Heirat ab. Dennoch blieb ihre Beziehung bis Anfang 1999 bestehen. Der Beschwerdeführer erfuhr im Mai 1999 von Frau M.s Schwangerschaft. Dem Beschwerdeführer zufolge vereinbarten er und Frau M. damals, dass der Beschwerdeführer für das Kind sorgen würde. Danach erkundigte sich der Beschwerdeführer wöchentlich nach Frau M. und ihrem ungeborenen Kind, konnte jedoch ab Juli 1999 keinen Kontakt mehr mit ihr herstellen.
11. Unmittelbar nach der Geburt am 25. August 1999 gab Frau M. C. zur Adoption frei. Das Jugendamt Wittenberg als C.s Amtsvormund benachrichtigte sogleich Herrn und Frau B., die als künftige Adoptiveltern registriert waren und schon zuvor ein Kind adoptiert hatten, dass C. zur Adoption freigegeben wurde. Sie holten C. vier Tage später vom Krankenhaus nach Hause.
12. Im Oktober 1999 erfuhr der Beschwerdeführer von C.s Geburt und seiner Freigabe zur Adoption durch Frau M. Im November 1999 wandte er sich an das Jugendamt Leipzig in der Absicht, C. selbst zu adoptieren. Da Frau M. keine Angaben zur Vaterschaft gemacht hatte, verweigerte das Jugendamt dem Beschwerdeführer jede Auskunft über C..
13. Am 30. November 1999 begleitete Frau M. den Beschwerdeführer zum Jugendamt und bestätigte, dass er C.s Vater sei, woraufhin er die Geburtsurkunde seines Sohnes erhielt.
14. Nach der offiziellen Anerkennung der Vaterschaft und Beantragung der elterlichen Sorge am 10. Januar 2000 leitete der Beschwerdeführer am 12. Januar 2000 das Vaterschaftsfeststellungsverfahren vor dem Amtsgericht Wittenberg ein. 
15. Nachdem er am 2. Mai 2000 erneut die Vaterschaft anerkannt und sich einer ärztlichen Blutuntersuchung unterzogen hatte, bestätigte das Amtsgericht Wittenberg am 20. Juni 2000, dass der Beschwerdeführer C.s Vater ist.
16. Seit Dezember 1999 ist der Beschwerdeführer mit Frau C., einer deutschen Staatsangehörigen, nach islamischem Recht verheiratet. Er lebt mit seiner Frau und einem ihrer beiden Kinder zusammen.

B. Sorge- und Umgangsrechtsverfahren
17. Am 10. Januar 2000 beantragte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht Wittenberg, das Sorgerecht für C. auf ihn zu übertragen. 
18. Am 30. August 2000 bestellte das Amtsgericht Wittenberg Frau F. als Verfahrenspflegerin zur Vertretung von C.s Interessen im Sorgerechtsverfahren.
19. Bei einer Anhörung am 25. September 2000 entschied das Amtsgericht, dass ein Treffen zwischen dem Beschwerdeführer und Frau C. sowie Herrn und Frau B. stattfinden und erste Kontakte zwischen dem Beschwerdeführer und C. geplant und durchgeführt werden sollten. Am 13. Oktober 2000 trafen der Beschwerdeführer und Frau C. mit Herrn und Frau B. zusammen. Bis Dezember fanden vier Treffen zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn in Gegenwart von C.s Pflegeeltern statt. Seit Dezember 2000 haben keine weiteren Treffen stattgefunden, da C. krank war und seine Pflegeeltern derartige Treffen als eine zu große Belastung für das kleine Kind ansahen.
20. Am 11. Januar 2001 stellte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht Wittenberg einen Antrag auf Umgang mit seinem Sohn. Frau F. wurde auch für das Umgangsverfahren als Verfahrenspflegerin bestellt.
21. Am 8. Februar 2001 räumte das Amtsgericht Wittenberg im Wege einer vorläufigen Anordnung dem Beschwerdeführer den Umgang mit C. an sechs aufeinander folgenden Samstagen für zunächst eine, später zwei, dann drei und danach acht Stunden ein.
22. Am 16. Februar 2001 setzte das Oberlandesgericht Naumburg auf die Beschwerde des Jugendamts die Vollziehung der vorläufigen Anordnung des Amtsgerichts bis zur Entscheidung über die Beschwerde aus. Dem Beschwerdeführer wurde gestattet, C. einmal monatlich zwei Stunden lang in Gegenwart von Herrn und Frau B. oder einer dritten Person zu sehen. 
23. Mit Beschluss vom 9. März 2001 übertrug das Amtsgericht Wittenberg dem Beschwerdeführer nach § 1672 Abs. 1 BGB das alleinige Sorgerecht für C.. Aufgrund der Stellungnahme von Frau F., der schriftlichen Stellungnahmen und Anhörungen der Parteien sowie einer psychologischen Stellungnahme einer Diplom-Pädagogin des Landesjugendamts Sachsen-Anhalt vom 30. Januar 2001 war das Amtsgericht überzeugt, dass der Beschwerdeführer bereit und in der Lage sei, C. ein Heim und eine Familie zu bieten, und dass die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den Beschwerdeführer dem Wohl des Kindes diene. Das Amtsgericht wies darauf hin, dass bei den Treffen zwischen dem Beschwerdeführer und C. das Kind keine Abwehrreaktionen gegen den Beschwerdeführer gezeigt und keinerlei Schaden genommen habe. Die Kontakte zwischen dem Beschwerdeführer und C. stellten deshalb generell keine Kindeswohlgefährdung dar. Das Amtsgericht führte aus, dass solche Kontakte bereits viel eher hätten stattfinden können, wenn die zuständigen Behörden nicht starr an dem Adoptionsverfahren festgehalten und damit jeden Kontakt zwischen Vater und Kind verhindert hätten. Würde C. bei seinen Pflegeeltern bleiben und später von seiner Herkunft erfahren, so bestehe bei ihm das Risiko eines Identitätskonfliktes. Ein solcher Konflikt stelle für das Kindeswohl eine größere Gefahr dar als die Trennung von seiner gegebenenfalls zweijährigen Pflegefamilie, insbesondere im Hinblick auf C.s emotionale Stabilität. Das Amtsgericht wies zwar darauf hin, dass diese Entscheidung über das Sorgerecht keine sofortigen praktischen Auswirkungen haben werde, insbesondere nicht auf die Rechte der Pflegeeltern, aber es hielt eine schnelle Gewöhnung C.s an die neue Situation für wichtig. Das Amtsgericht sah es als geboten an, die im September 2000 eingeleiteten Besuche und Kontakte fortzusetzen, um zu vermeiden, dass ein Aufenthaltswechsel zu einer plötzlichen Zäsur in C.s Leben wird. Es entschied auch, dass das Kind bei einem Wechsel des Aufenthalts hin zu seinem Vater weiterhin regelmäßig die Pflegefamilie besuchen solle. Solche Besuche hätten sich in ähnlichen Fällen bewährt.
Das Amtsgericht erwähnte auch, dass das Jugendamt durch dieselbe Rechtsanwältin vertreten werde, die in Parallelverfahren C.s Pflegeeltern vertrete. 
24. Am 10. April 2001 hob das Oberlandesgericht Naumburg auf die Beschwerde des Jugendamts und eine zweite von Herrn und Frau B. eingereichte Beschwerde die vorläufige Anordnung zur Regelung des Umgangs vom 8. Februar 2001 auf. Es stellte fest, dass infolge der Entscheidung des Amtsgerichts Wittenberg, mit der dem Beschwerdeführer das Sorgerecht für C. übertragen wurde, welches das uneingeschränkte Umgangsrecht einschließt, der Streit gegenstandslos geworden sei.
25. Auf die Beschwerde des Jugendamts gegen die Sorgerechtsentscheidung des Amtsgerichts entschied das Oberlandesgericht Naumburg am 27. April 2001, die Vollziehung der Sorgerechtsentscheidung bis zur Entscheidung über die Beschwerde auszusetzen. Ferner entband es die Verfahrenspflegerin für C., Frau F., von ihren Aufgaben, da sie ihre Kompetenz überschritten habe und nicht mehr unparteiisch sei. Als neue Verfahrenspflegerin wurde Frau E., eine Sozialarbeiterin, bestellt.
26. Am 19. Juni 2001 räumte das Amtsgericht Wittenberg dem Beschwerdeführer im Wege der vorläufigen Anordnung den Umgang mit seinem Sohn an drei Tagen für jeweils zwei Stunden und ab Ende Juni 2001 an jedem Samstag für acht Stunden ein. Es verpflichtete Herrn und Frau B. hierbei mitzuwirken und für ausgefallene Umgangstermine Ersatztermine einzuräumen. Ebenso wie in dem Sorgerechtsverfahren wurde Frau F. von ihrer Aufgabe entbunden und Frau E. als neue Verfahrenspflegerin bestellt.
27. Am 20. Juni 2001 hob das Oberlandesgericht Naumburg den Beschluss des Amtsgerichts vom 9. März 2001 auf und wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Übertragung der elterlichen Sorge für C. ab. Ferner schloss es das Umgangsrecht des Beschwerdeführers mit seinem Sohn bis zum 30. Juli 2002 aus.
In diesem Beschluss befand das Oberlandesgericht, dass die Übertragung des Sorgerechts auf ihn nicht nur dem Wohl des Kindes nicht dienlich, sondern sogar für sein Wohlergehen schädlich sei. Es bezog sich dabei auf die psychologische Stellungnahme des Landesjugendamts Sachsen-Anhalt, eine kinderärztliche Bescheinigung vom 19. Januar 2001 sowie einen Bericht von Frau E. vom 6. Juni 2001, den es zuvor zur Prüfung des Kindeswohls und der Wohnverhältnisse sowohl des Beschwerdeführers als auch der Pflegeeltern angefordert hatte. Ferner stützte es sich auf seine eigene Sachkunde und Lebenserfahrung. 
Das Oberlandesgericht war der Auffassung, dass der Beschwerdeführer in der Lage sei, für C. zu sorgen. Es wies daraufhin, dass er mit Frau C., einer deutschen Staatsangehörigen, verheiratet sei, die selbst bereits zwei Kinder erzogen habe und ihn unterstützen würde. Der Beschwerdeführer könne auch weitere objektive Voraussetzungen für die Erziehung eines Kindes anbieten, d.h. ein Haus mit einem eigenen Zimmer für C.. Das Oberlandesgericht war auch davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer, wenngleich er selbst keine Schule besucht habe und auch keine abgeschlossene Berufsausbildung besitze, unter Mithilfe von Frau C. imstande wäre, C.s Ausbildung zu fördern. 
Gleichwohl diene die Trennung des Kindes von seiner Pflegefamilie nicht dem Wohl C.s, da sich eine tiefe soziale und emotionale Bindung zwischen dem Kind und seiner Pflegefamilie entwickelt habe. C. habe ein Jahr und zehn Monate bei Herrn und Frau B. gelebt, was für ein Kind in C.s Alter ein unendlicher Zeitraum sei. In dieser Situation würde eine Trennung von Herrn und Frau B. zu einem schweren irreversiblen psychischen Schaden für das Kind führen, insbesondere, da es bereits die Trennung von seiner natürlichen Mutter erlebt habe, was an sich bereits ein traumatisches Ereignis gewesen sei. Es wäre unmöglich, die Notwendigkeit der Trennung einem so kleinen Kind verständlich zu machen, insbesondere, da der Beschwerdeführer für C. ein Fremder sei.
Das Oberlandesgericht erachtete die genannten Stellungnahmen als für die Beurteilung des Falls ausreichend und hielt es deshalb nicht für erforderlich, weitere Gutachten einzuholen, da nicht zu erwarten sei, dass diese zu anderen Schlussfolgerungen zugunsten des Beschwerdeführers kommen würden. Diesbezüglich etwa verbleibende Zweifel gingen, so das Oberlandesgericht, zu Lasten des Kindesvaters.
Außerdem entschied das Oberlandesgericht unter Zugrundelegung der psychologischen Stellungnahme und des Berichts der Verfahrenspflegerin, dass der Ausschluss des Umgangsrechts dem Wohl C.s diene. In Anbetracht der durch den ungelösten Rechtsstreit entstandenen Unruhe und Unsicherheiten sei jeder Kontakt mit seinem leiblichen Vater eine physische und psychische Belastung für das Kind. Durch den Ausschluss des Umgangsrechts für einen bestimmten Zeitraum könne C. wieder die notwendige innere Ruhe und seine seelische Ausgeglichenheit finden.
28. Am 31. Juli 2001 lehnte es das Bundesverfassungsgericht in einer aus drei Richtern bestehenden Kammer ab, die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zur Entscheidung anzunehmen.

C. Weitere Entwicklungen

1. Sorge- und Umgangsrechtsverfahren
29. In der Zwischenzeit hat der Beschwerdeführer beim Amtsgericht ein neues Verfahren auf Übertragung des Sorge- und Umgangsrechts anhängig gemacht. Der Beschwerdeführer versuchte an sieben verschiedenen Terminen, Kontakt zu C. herzustellen, doch diese Versuche blieben erfolglos, weil Herr und Frau B. nicht zur Zusammenarbeit bereit oder abwesend waren. Zwei für Februar und Juli 2003 anberaumte Anhörungstermine wurden gestrichen. Am 22. Juli 2003 bestellte das Amtsgericht Frau E. zur Verfahrenspflegerin sowohl im Sorge- als auch im Umgangsrechtsverfahren. Am 28. Oktober 2003 verwarf das Oberlandesgericht Naumburg die Beschwerde des Beschwerdeführers. 
Am 30. September 2003 wies es den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung des Umgangs wegen der Spannungen zwischen dem Beschwerdeführer und den Pflegeeltern sowie der unklaren Rechtslage ab. Am 27. November 2003 fand vor dem Amtsgericht eine erste Anhörung statt. 

2. Adoptionsverfahren
30. Am 19. Januar 2001 ging beim Amtsgericht Wittenberg der Antrag von Herrn und Frau B. auf Adoption von C. ein. Das Jugendamt Wittenberg als gesetzlicher Vertreter C.s hatte zuvor seine Zustimmung zur Adoption erteilt. Nachdem der Beschwerdeführer die Einwilligung in C.s Adoption versagt hatte, entschied das Amtsgericht am 28. Dezember 2001, seine fehlende Einwilligung durch Gerichtsbeschluss zu ersetzen. Am 30. Oktober 2002 wies das Landgericht Dessau den Antrag des Beschwerdeführers auf Aussetzung des Adoptionsverfahrens bis zur endgültigen Entscheidung im Sorge- und Umgangsrechtsverfahren ab. Am 24. Juli 2003 gab das Oberlandesgericht Naumburg der Beschwerde des Beschwerdeführers statt und hob die Entscheidung des Landgerichts auf. Das Oberlandesgericht lehnte zwar die Aussetzung des Adoptionsverfahrens bis zur Entscheidung in dem Verfahren vor dem Gerichtshof ab, wies aber darauf hin, dass die zuständigen innerstaatlichen Gerichte gegebenenfalls ein Urteil dieses Gerichtshofs zu berücksichtigen hätten. 

II. EINSCHLÄGIGE INNERSTAATLICHE RECHTSVORSCHRIFTEN
31. Die gesetzlichen Bestimmungen über elterliche Sorge und Umgang finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch. 
§ 1626 Abs. 1 lautet wie folgt:
„Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).“
Nach § 1626 a Abs. 2 übt die Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes das Sorgerecht aus, wenn zwischen den Eltern keine andere Vereinbarung getroffen wurde. In einem solchen Fall kann der Vater, wenn die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt leben, mit Zustimmung der Mutter beantragen, dass ihm nach § 1672 Abs. 1 das Sorgerecht ganz oder teilweise übertragen wird. Ist das Sorgerecht der Mutter für unbestimmte Zeit ausgesetzt, was der Fall ist, wenn sie in die Adoption des Kindes einwilligt (§ 1751 Abs. 1), so räumt das Familiengericht dem anderen Elternteil das Sorgerecht ein, wenn dies dem Wohl des Kindes dient (§ 1678 Abs. 2 i.V.m. § 1751 Abs. 1). 
Nach § 1632 Abs. 1 umfasst die Personensorge das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es den Eltern widerrechtlich vorenthält. Wollen Eltern ihr Kind von einer Pflegefamilie nach längerer Zeit wegnehmen, so kann das Familiengericht anordnen, dass das Kind bei der Pflegefamilie verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde (§ 1632 Abs. 4).
Nach § 1684 hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Außerdem haben die Eltern alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Die Familiengerichte können über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln; und sie können die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber dem Kind anhalten. Die Familiengerichte können dieses Recht jedoch einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Die Familiengerichte können anordnen, dass das Umgangsrecht nur in Anwesenheit eines Dritten, z.B. eines Trägers der Jugendhilfe oder eines Vereins, ausgeübt werden darf (§ 1684 Abs. 4).
Nach § 1696 habe die Vormundschaftsgerichte und die Familiengerichte ihre Anordnungen zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist.
32. Verfahren in Familiensachen sind im Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) geregelt.
Nach § 12 FGG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen.
Nach § 50 FGG bestellt das Gericht einen Verfahrenspfleger zur Vertretung des minderjährigen Kindes, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist.

RECHTLICHE WÜRDIGUNG

I. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 8 DER KONVENTION
33. Der Beschwerdeführer rügte, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg, mit der sein Antrag auf Sorge für sein nichteheliches Kind C. und auf Umgang mit ihm zurückgewiesen wurde, gegen Artikel 8 der Konvention verstoße, der, soweit einschlägig, wie folgt lautet:
„(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres ... Familienlebens ... .
(2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist ... zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer."
34. Die Regierung beantragte, der Gerichtshof möge feststellen, dass diese Vorschrift nicht verletzt wurde.

A. Gab es einen Eingriff?
35. Der Gerichtshof stellt fest, dass es zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Entscheidung, mit der dem Beschwerdeführer das Sorgerecht für sein Kind und der Umgang mit ihm verweigert wurde, ein Eingriff in sein nach Artikel 8 Abs. 1 geschütztes Recht auf Achtung seines Familienlebens war.
36. Jeder Eingriff dieser Art stellt eine Verletzung dieses Artikels dar, es sei denn, er ist „gesetzlich vorgesehen“, verfolgt ein oder mehrere Ziele, die nach Artikel 8 Absatz 2 legitim sind, und kann als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ angesehen werden.

B. War der Eingriff gerechtfertigt?
37. Die Parteien bestreiten nicht, dass die hier in Rede stehende Entscheidung auf innerstaatlichem Recht beruhte, nämlich auf § 1678 Abs. 2 und § 1684 Abs. 4 BGB, und dass sie den Schutz des Kindeswohls zum Ziel hatte; dies ist ein legitimes Ziel im Sinne von Artikel 8 Abs. 2 (siehe Urteil Keegan ./. Irland vom 26. Mai 1994, Serie A Band 290, S. 20, Nr. 44). 
38. Es ist daher nur noch zu prüfen, ob die Verweigerung des Sorge-2 und Umgangrechts als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ angesehen werden kann.

1. Die Stellungnahmen der Parteien

a) Der Beschwerdeführer
39. Der Beschwerdeführer trug vor, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg vom 20. Juni 2001 sein Recht auf Familienleben verletze, weil sie ihn daran hindere, mit seinem Sohn zusammen zu leben und mit ihm Umgang zu haben, obwohl unstrittig sei, dass er bereit und in der Lage sei, für C. zu sorgen. Er könne nicht verstehen, dass den Rechten der Pflegeeltern Vorrang eingeräumt werde vor seinen eigenen Rechten als C.s leiblicher Vater; das Oberlandesgericht habe dadurch, dass es C.s Recht, seine wirkliche Familie zu kennen, nicht berücksichtigt habe, nicht dem Wohl des Kindes entsprechend gehandelt. Der Beschwerdeführer wies ferner darauf hin, dass er bisher so gut wie keinen Umgang mit C. gehabt habe, weil Herr und Frau B. nicht zur Zusammenarbeit bereit seien und die deutschen Gerichte nichts unternähmen, um ihm zu helfen. Abschließend rügte er, dass das Verfahren vor dem Oberlandesgericht Naumburg nicht fair gewesen sei. 

b) Die Regierung
40. Die Regierung hielt die Argumentation des Oberlandesgerichts für nachvollziehbar. Sie hielt es insbesondere für sachangemessen, das Interesse des Kindes an der Aufrechterhaltung der inzwischen entstandenen Eltern-Kind-Beziehung zu seinen Pflegeeltern höher zu bewerten als das Interesse des Beschwerdeführers an der Zusammenführung mit seinem Kind. Wann eine Zeitspanne des Zusammenlebens in einer Familie vergangen sei, die einer Änderung der familiären Situation entgegenstehen könne, lasse sich nicht absolut, sondern nur in Abhängigkeit vom Alter des Kindes und dem Beginn seines Zusammenlebens mit der Pflegefamilie beantworten. Die Regierung stimmte dem Oberlandesgericht zu, dass die Trennung C.s von seiner Pflegefamilie, nachdem er bereits von seiner leiblichen Mutter nach der Geburt getrennt worden war, einen zweiten tiefen Bruch in seinem Leben darstellen würde, der sich auf seine weitere Entwicklung nachteilig auswirken könne. Wegen der mit einer Trennung verbundenen Gefährdung des Wohls C.s sowie der Tatsache, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen seien, dass sich die Situation des Kindes in absehbarer Zeit ändern könnte, habe das Oberlandesgericht nicht erwägen müssen, ob durch ein vorübergehendes Verbleiben C.s bei der Pflegefamilie die genannten Beeinträchtigungen auf ein zumutbares Maß hätten zurückgeführt werden können. Ebenso wenig habe es sich mit der Eignung des Beschwerdeführers auseinandersetzen müssen, die mit der Trennung des Kindes von der Pflegefamilie verbundenen psychischen Beeinträchtigungen zu mildern, da selbst ein idealer Elternteil nicht in der Lage gewesen wäre, diese Beeinträchtigungen in einem zumutbaren Rahmen zu halten. 
In Bezug auf den Ausschluss des Umgangsrechts des Beschwerdeführers stellte die Regierung in Hinsicht darauf, dass bei Entscheidungen über die Einschränkung des Umgangsrechts eines Elternteils ein strengerer Prüfungsmaßstab zugrunde zu legen ist, fest, dass diese Maßnahme im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 notwendig gewesen sei. Sie stimmte der Begründung des Oberlandesgerichts zu, dass die Auseinandersetzungen zwischen den Pflegeeltern und dem Beschwerdeführer zu Unruhe und Unsicherheiten in der Pflegefamilie geführt hätten und dass C. diese Spannungen erfühlt habe. Die Aufrechterhaltung dieser Situation hätte das Kindeswohl gefährdet. Da das Recht eines Elternteils auf Umgang mit seinem Kind stets ein gewisses Maß an kooperativem Zusammenwirken aller Beteiligten voraussetze und der Mangel an einem solchen Zusammenwirken für alle Beteiligten emotional belastend gewesen sei, hielt es die Regierung insbesondere nicht für unangemessen, die Parteien für ein Jahr zu trennen, um ihre Emotionen wieder zu beruhigen.
Abschließend wies die Regierung darauf hin, dass die Interessen des Beschwerdeführers im Entscheidungsprozess hinreichend berücksichtigt worden seien. Er sei Verfahrensbeteiligter gewesen und persönlich vom Gericht angehört worden, und ihm sei Prozesskostenhilfe gewährt worden. 

2. Würdigung durch den Gerichtshof

a) Allgemeine Grundsätze
41. Bei der Entscheidung darüber, ob die Verweigerung des Sorge- und Umgangsrechts „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ war, hat der Gerichtshof zu prüfen, ob die zur Rechtfertigung dieser Maßnahme angeführten Gründe in Anbetracht der Rechtssache insgesamt im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 der Konvention zutreffend und ausreichend waren. Von entscheidender Bedeutung ist bei jeder Rechtssache dieser Art zweifellos die Überlegung, was dem Kindeswohl am besten dient. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die nationalen Behörden insoweit im Vorteil sind, als sie unmittelbaren Kontakt zu allen Beteiligten haben. Aus diesen Überlegungen folgt, dass die Aufgabe des Gerichtshofs nicht darin besteht, an Stelle der nationalen Behörden deren Aufgaben in Fragen des Sorge- und Umgangsrechts wahrzunehmen, sondern im Lichte der Konvention die Entscheidungen zu überprüfen, die diese Behörden in Ausübung ihres Ermessens getroffen haben (siehe S. und S. ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerden Nr. 30943/96 und Nr. 31871/96, Nr. 64 bzw. Nr. 62, ECHR 2003-VIII, und T.P. und K.M. ./. Vereinigtes Königreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 28945/95, Nr. 71, ECHR 2001-V).
42. Welcher Ermessensspielraum den zuständigen nationalen Behörden dabei einzuräumen ist, hängt von der Art der streitigen Fragen und der Bedeutung der betroffenen Interessen ab. Insbesondere bei Sorgerechtsentscheidungen hat der Gerichtshof anerkannt, dass die Behörden einen großen Ermessensspielraum haben. Einer genaueren Kontrolle bedarf es jedoch bei weiteren Beschränkungen, wie beispielsweise bei Einschränkungen des Umgangsrechts der Eltern durch diese Behörden, sowie bei gesetzlichen Maßnahmen, die einen wirksamen Schutz des Rechts von Eltern und Kindern auf Achtung ihres Familienlebens gewährleisten sollen. Solche weiteren Beschränkungen bergen die Gefahr, dass die Familienbeziehungen zwischen einem kleinen Kind und einem oder beiden Elternteilen endgültig abgeschnitten werden (siehe E. ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerde Nr. 25735/94, Nr. 49, ECHR 2000-VIII, sowie K. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 46544/99, Nr. 67, ECHR 2002-I).
43. Die innerstaatlichen Behörden haben nach Artikel 8 einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Kindes und denen der Eltern herbeizuführen und dabei dem Wohl des Kindes, das je nach seiner Art und Bedeutung den Interessen der Eltern vorgehen kann, besonderes Gewicht beizumessen. Insbesondere kann ein Elternteil nach Artikel 8 der Konvention nicht beanspruchen, dass Maßnahmen getroffen werden, die der Gesundheit und der Entwicklung des Kindes schaden würden (siehe Scozzari und Giunta ./. Italien [GK], Individualbeschwerden Nr. 39221/98 and Nr. 41963/98, Nr. 169, ECHR 2000-VIII, P., C. und S. ./. Vereinigtes Königreich, Individualbeschwerde Nr. 56547/00, Nr. 117, ECHR 2002-VI).

b) Die Beschwerde in der vorliegenden Rechtssache

i. Sorgerecht
44. Der Gerichtshof stellt fest, dass das Oberlandesgericht in der vorliegenden Rechtssache in seiner Entscheidung vom 20. Juni 2001 die Auffassung vertreten hat, dass der Beschwerdeführer zusammen mit seiner Ehefrau, die bereits zwei Kinder erzogen habe, zwar in der Lage wäre, C. zu betreuen, aber eine Übertragung des Sorgerechts auf den Beschwerdeführer dennoch nicht dem Wohl C.s diene, da sich eine tiefe soziale und emotionale Bindung zwischen dem Kind und seiner Pflegefamilie entwickelt habe und eine Trennung von ihr bei dem Kind zu einem schweren und irreversiblen psychischen Schaden führen würde. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass das Amtsgericht Wittenberg im Gegensatz dazu in seiner Entscheidung vom 9. März 2001 die Auffassung vertreten hat, dass es dem Wohl C.s diene, seinem Vater die elterliche Sorge für ihn zuzusprechen. 
45. Dem Gerichtshof ist bewusst, dass es bei der Herbeiführung eines Ausgleichs zwischen den widerstreitenden Rechten und Interessen des Beschwerdeführers und den Rechten von Herrn und Frau B. sowie Christophers entscheidungserheblich sein kann, dass der Beschwerdeführer und C. nie zusammengelebt haben. Der Gerichtshof weist auf seine Rechtsprechung hin, in der es heißt, dass der Staat in Fällen, in denen nachweislich Familienbande zu einem Kind bestehen, so handeln muss, dass diese Bande sich weiterentwickeln können (siehe Keegan, a.a.O., S. 19, Nr. 50 sowie Urteil Kroon und andere ./. die Niederlande vom 20. September 1994, Serie A Band 297-C, S. 56, Nr. 32). Demzufolge ist jeder Staat nach Artikel 8 der Konvention verpflichtet, auf die Zusammenführung eines leiblichen Elternteils mit seinem Kind hinzuwirken (siehe K. und T. ./. Finnland [GK], Individualbeschwerde Nr. 25702/94, Nr. 178, ECHR 2001- VII, Urteil Johansen ./. Norwegen vom 7. August 1996, Urteils- und Entscheidungssammlung 1996-III, S. 1008, Nr. 78, und Urteil Olsson ./. Schweden (Nr. 1) vom 24. März 1988, Serie A Band 130, S. 36, Nr. 81). In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof ferner fest, dass eine wirksame Achtung des Familienlebens voraussetzt, dass zukünftige Beziehungen zwischen einem Elternteil und seinem Kind nicht vom bloßen Verstreichen der Zeit abhängen dürfen (siehe sinngemäß Sylvester ./. Österreich, Individualbeschwerden Nr. 36812/97 und 40104/98, Nr. 69, 24. April 2003, und Urteil W. ./. Vereinigtes Königreich vom 8. Juli 1987, Serie A Band 121, S. 29, Nr. 65).
46. Der Gerichtshof räumt ein, dass eine sofortige Trennung von C.s Pflegefamilie negative Folgen für sein körperliches und seelisches Befinden hätte haben können. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer C.s leiblicher Vater und unstreitig bereit und in der Lage ist, ihn zu betreuen, ist der Gerichtshof jedoch nicht überzeugt, dass das Oberlandesgericht Naumburg alle möglichen Wege zur Lösung des Problems geprüft hat. Insbesondere scheint das Gericht nicht geprüft zu haben, ob es möglich wäre, C. und den Beschwerdeführer unter Umständen zusammen zu führen, unter denen die Belastung für C. geringer wäre. Das Oberlandesgericht hat sich stattdessen, soweit ersichtlich, nur mit den unmittelbaren Folgen befasst, die eine Trennung von seinen Pflegeeltern für das Kind haben würde, ohne jedoch die langfristigen Auswirkungen zu berücksichtigen, die eine dauerhafte Trennung von seinem leiblichen Vater für C. haben könnte. Die vom Amtsgericht angestrebte Lösung, nämlich die Erweiterung und Erleichterung der Kontakte zwischen dem Beschwerdeführer und C., der zunächst bei der Pflegefamilie verbleiben sollte, wurde anscheinend nicht in Betracht gezogen. Der Gerichtshof weist diesbezüglich darauf hin, dass die Möglichkeiten einer Zusammenführung immer weiter abnehmen und schließlich zunichte gemacht werden, wenn der biologische Vater und das Kind überhaupt nicht oder nur so selten zusammen kommen dürfen, dass nicht zu erwarten ist, dass zwischen ihnen eine natürliche Bindung entsteht (K. und T. ./. Finnland, a.a.O., Nr. 179).
47. Im Lichte der vorstehenden Ausführungen stellt der Gerichtshof fest, dass Artikel 8 der Konvention verletzt worden ist.

ii. Umgang
48. Zum Ausschluss des Umgangsrechts stellt der Gerichtshof fest, dass das Oberlandesgericht Naumburg bei seiner Entscheidung auf die physische und psychische Belastung des Kindes abgestellt hat, die jeder Kontakt mit seinem leiblichen Vater bedeuten würde. Das Oberlandesgericht zog hierbei die durch den ungelösten Rechtsstreit entstandene Unruhe und Unsicherheit in Betracht und kam zu dem Ergebnis, dass C. durch den Ausschluss des Umgangs für einen bestimmten Zeitraum wieder die notwendige innere Ruhe und seelische Ausgeglichenheit finden könne. Der Gerichtshof stellt fest, dass der Beschwerdeführer bis Juni 2001 sein Kind lediglich sechs Mal für jeweils mehrere Stunden sehen konnte. Mit der Entscheidung des Oberlan¬desgerichts wurde jede Form der Familienzusammenführung und die Herstellung eines wei¬teren Familienlebens jeder Art unmöglich. Der Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es dem Wohl des Kindes dient, seine Familienbande aufrechtzuerhalten, denn solche Bande zu zerschneiden bedeutet, ein Kind seiner Wurzeln zu berauben, und dies kann nur unter sehr außergewöhnlichen Umständen gerechtfertigt sein (siehe Gnahoré ./. Frankreich, Individualbeschwerde Nr. 40031/98, Nr. 59, ECHR 2000-IX, Johansen, a.a.O., S. 1008-1009, Nr. 78 und P., C. und S. ./. Vereinigtes Königreich, a.a.O., Nr. 118). Es gibt keine Beweise für solche außergewöhnlichen Umstände in dieser Rechtssache.
49. Das Oberlandesgericht Naumburg hat somit durch Aufhebung aller Entscheidungen, die dem Beschwerdeführer Umgang mit seinem Sohn gewährt hätten, die nach Artikel 8 bestehende eindeutige Verpflichtung zur Zusammenführung von Vater und Sohn nicht erfüllt. Der Gerichtshof stellt fest, dass auch nach Ablauf eines Jahres im Juni 2002 die Bemühungen des Beschwerdeführers um Umgang mit seinem Sohn erfolglos geblieben sind.
50. Der Gerichtshof ist folglich auch unter Berücksichtigung des geringeren Ermessensspielraums bei Einschränkungen des elterlichen Umgangsrechts (siehe oben Nr. 42) der Auffassung, dass die Gründe, auf die das Oberlandesgericht Naumburg seine Entscheidung, den Umgang des Beschwerdeführers mit seinem Kind für die Dauer eines Jahres auszuschließen, gestützt hat, nicht ausreichend waren, um einen derart schweren Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers zu rechtfertigen. Ungeachtet des Ermessensspielraums der innerstaatlichen Behörden war der Eingriff daher in Bezug auf die rechtmäßig verfolgten Ziele nicht verhältnismäßig.
51. Folglich ist Artikel 8 der Konvention verletzt worden.

iii. Entscheidungsprozess
52. Der Gerichtshof weist ferner darauf hin, dass der mit den Eingriffsmaßnahmen verbundene Entscheidungsprozess, auch wenn Artikel 8 der Konvention keine ausdrücklichen Verfahrenserfordernisse vorsieht, fair und so gestaltet sein muss, dass die gebührende Achtung der durch Artikel 8 geschützten Interessen sichergestellt ist. Der Gerichtshof muss daher prüfen, ob der Beschwerdeführer angesichts der Umstände des Falls und vor allem angesichts der Bedeutung der zu treffenden Entscheidungen in den Entscheidungsprozess als Ganzes so weit eingebunden war, dass der erforderliche Schutz seiner Interessen gewährleistet war (siehe Urteil W. ./. Vereinigtes Königreich vom 8. Juli 1987, Serie A Band 121, S. 29, Nr. 64; Buscemi ./. Italien, Individualbeschwerde Nr. 29569/95, Nr. 58, ECHR 1999-VI, und Elsholz, a.a.O., Nr. 52).
53. Der Gerichtshof stellt fest, dass der Beschwerdeführer, der anwaltlichen Beistand hatte, Gelegenheit zur schriftlichen und mündlichen Stellungnahme hatte. Der Beschwerdeführer war in einer Position, die es ihm ermöglichte, alle Argumente für eine Gewährung des Sorge- und Umgangsrechts vorzubringen, und er hatte auch Zugang zu allen einschlägigen Informationen, auf die sich die Gerichte gestützt haben. Der Gerichtshof stellt außerdem fest, dass die dem Amtsgericht vorgelegten Beweismittel, d.h. die Erklärungen der Parteien sowie der leiblichen Mutter des Kindes, die Stellungnahmen von Frau F., der ersten Verfahrenspflegerin, und die psychologische Stellungnahme von Frau K. vom Landesjugendamt Sachsen-Anhalt vom 30. Januar 2001, Teil der Beweisgrundlage für die Entscheidung des Oberlandesgerichts waren. Darüber hinaus ordnete das Oberlandesgericht einen Bericht über die Befindlichkeit des Kindes und die häuslichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und der Pflegeeltern an, den die neue Verfahrenspflegerin Frau E. am 6. Juni 2001 erstattete.
54. Unter diesen Umständen und im Hinblick darauf, dass es generell Sache der innerstaatlichen Gerichte ist, die ihnen vorliegenden Beweise zu würdigen (Sahin und Sommerfeld, a.a.O., Nr. 73 bzw. Nr. 71), ist der Gerichtshof überzeugt, dass die sich aus Artikel 8 der Konvention ergebenden Verfahrenserfordernisse erfüllt waren und dass der Beschwerdeführer in den Entscheidungsprozess als Ganzes so weit eingebunden war, dass der erforderliche Schutz seiner Interessen gewährleistet war.
55. Folglich ist Artikel 8 der Konvention in dieser Hinsicht nicht verletzt worden.

II. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 6 ABSATZ 1 DER KONVENTION
56. Der Beschwerdeführer rügte, dass das Verfahren vor dem Oberlandesgericht Naumburg nicht fair gewesen sei. Er beruft sich auf Artikel 6 Abs. 1 der Konvention, der, soweit entscheidungserheblich, wie folgt lautet: 
„Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen … von einem unabhängigen und unparteiischen ... Gericht ... innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.“
Der Beschwerdeführer bemängelte die Stellungnahmen der Sachverständigen, auf die sich das Oberlandesgericht gestützt hat. Er rügte insbesondere, dass die zweite Verfahrenspflegerin Frau E. im Verlauf der Erstellung ihres Gutachtens mit ihm nicht unmittelbar gesprochen und einen Hausbesuch bei ihm in seiner Abwesenheit gemacht habe. Hinsichtlich der von einer Diplom-Pädagogin vorgelegten psychologischen Stellungnahme verwies der Beschwerdeführer auf eine in Erwiderung auf diese Stellungnahme verfasste kritische Stellungnahme der ersten Verfahrenspflegerin Frau F., in der diese ausführlich begründet habe, warum die psychologische Stellungnahme nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erarbeitet worden sei. Ferner rügte er die angeblich unbegründete Entpflichtung von Frau F., der ersten Verfahrenspflegerin im Verfahren vor dem Amtsgericht.
Der Beschwerdeführer trug außerdem vor, die Prozessbevollmächtigte des Jugendamts in dem Beschwerdeverfahren sei gleichzeitig auch Prozessbevollmächtigte von C.s Pflegeeltern in dem Adoptionsverfahren gewesen, was seines Erachtens zu einem erheblichen Interessenkonflikt geführt habe. 
57. Die Regierung führte aus, dass der Beschwerdeführer Verfahrensbeteiligter gewesen und sein Vorbringen vom Oberlandesgericht zur Kenntnis genommen und erwogen worden sei. Er sei vom Gericht persönlich angehört und ihm sei Prozesskostenhilfe gewährt worden. Entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers habe Frau E., die zweite Verfahrenspflegerin, den Beschwerdeführer vor der Erstellung ihres Gutachtens getroffen. Zur Entpflichtung von Frau F. als Verfahrenspflegerin brachte die Regierung vor, es sei dem Beschwerdeführer verwehrt, dies als Verletzung seiner Rechte zu betrachten, weil Frau F. zum Schutz von C.s Rechten und nicht zum Schutz seiner Rechte bestellt worden sei.
Zur Behauptung, die Prozessbevollmächtigte des Jugendamts im Beschwerdeverfahren sei auch Prozessbevollmächtigte der Pflegeeltern in anderen Verfahren gewesen, trug die Regierung vor, dass diese Rüge vor dem Bundesverfassungsgericht nicht erhoben worden sei und der Beschwerdeführer daher diesbezüglich die nach deutschem Recht zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe nicht erschöpft habe. Jedenfalls habe die betreffende Prozessbevollmächtigte den gesetzlich durch das Jugendamt vertretenen C. im Gerichtsverfahren vertreten. Selbst wenn die Behauptungen des Beschwerdeführers zuträfen, könne die Regierung nicht erkennen, inwiefern dadurch seine Rechte aus der Konvention verletzt worden sein könnten.
58. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass es nach Artikel 19 der Konvention seine Aufgabe ist sicherzustellen, dass die Vertragsstaaten ihre Verpflichtungen einhalten. Insbesondere ist es nicht seine Aufgabe, als Beschwerdeinstanz tätig zu werden und sich mit Tatsachen- oder Rechtsirrtümern zu befassen, die einem innerstaatlichen Gericht unterlaufen sein sollen, sofern und soweit die nach der Konvention geschützten Rechte und Freiheiten hierdurch nicht verletzt sind. Außerdem ist es generell Sache der innerstaatlichen Gerichte, das ihnen vorliegende Beweismaterial zu würdigen und zu entscheiden, ob die von den Beklagten angebotenen Beweise entscheidungserheblich sind (siehe Urteil Vidal ./. Belgien vom 22. April 1992, Serie A Band 235-B, S. 32, Nr. 33, Elshoz, a.a.O., Nr. 66, M.C. ./. Finnland (Entscheidung), Individualbeschwerde Nr. 28460/95, 25. Januar 2001). Der Gerichtshof muss sich jedoch vergewissern, ob das Verfah¬ren insgesamt einschließlich der Art des Umgangs mit dem Beweismaterial im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 der Konvention fair war. Der Gerichtshof erinnert in diesem Zusammen¬hang daran, dass die Unterschiedlichkeit der Zwecke, die mit dem nach Artikel 6 Absatz 1 bzw. Artikel 8 gewährten Schutz verfolgt werden, eine Prüfung desselben Sachverhalts nach beiden Artikeln rechtfertigen kann (Urteil McMichael :/. Vereinigtes Königreich vom 24. Feb¬ruar 1995, Serie A Band 307-B, S. 57, Nr. 91, H. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 28422/95, Nr. 61, 5. Dezember 2002, Buchberger ./. Österreich, Individualbeschwerde Nr. 32899/96, Nr. 49, 20. Dezember 2001, N. ./. Deutschland (Entscheidung), Individualbeschwerde Nr. 46165/99, 19. Juni 2003).
59. Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass der Beschwerdeführer in den Entscheidungsprozess im Sinne von Artikel 8 der Konvention hinreichend eingebunden war. Der Gerichtshof kann keine Anhaltspunkte dafür feststellen, dass die Verfahren oder Entscheidungen der innerstaatlichen Gerichte in der vorliegenden Rechtssache das im Mittelpunkt von Artikel 6 Absatz 1 stehende Fairnessgebot verletzt haben, zumal der Beschwerdeführer, der anwaltlich vertreten war, Gelegenheit hatte, die Sachverständigengutachten während des Gerichtsverfahrens inhaltlich anzugreifen. In Bezug auf die anwaltliche Vertretung des Jugendamts und der Pflegeeltern durch dieselbe Prozessbevollmächtigte, sei es auch in verschiedenen Verfahren, stellt der Gerichtshof fest, dass das Amtsgericht Wittenberg in seiner Entscheidung vom 9. März 2001 diese parallele Vertretung bereits zur Kenntnis genommen und erwähnt hatte. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Punkt die Entscheidungen der deutschen Gerichte in irgendeiner Weise beeinflusst hat. Zudem scheint der Beschwerdeführer dieser Rüge kein Gewicht beigemessen zu haben, denn er hat sie vor dem Bundesverfassungsgericht nicht vorgebracht.
60. Im Ergebnis stellt der Gerichtshof fest, dass in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Artikel 6 Absatz 1 der Konvention nicht verletzt worden ist.

III. ANWENDUNG VON ARTIKEL 41 DER KONVENTION
61. Artikel 41 der Konvention lautet:
"Stellt der Gerichtshof fest, dass diese Konvention oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, und gestattet das innerstaatliche Recht der Hohen Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung, so spricht der Gerichtshof der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zu, wenn dies notwendig ist."

A. Schadensersatz
62. Der Beschwerdeführer begehrte 18.253,69 Euro als Ersatz für entgangenes Kindergeld und Baukindergeld seit C.s Geburt, denn Herr und Frau B. hätten beides für die Betreuung C.s erhalten. In Bezug auf das Baukindergeld führt der Beschwerdeführer aus, dass ihm beim Bau seines Hauses höhere Kosten entstanden seien, weil er ausreichenden Raum für C. vorgesehen habe. Da er nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgegangen sei und bestimmte Stellenangebote nicht angenommen habe, um für C. zur Verfügung zu stehen, und das Gerichtsverfahren auch zu erheblichen Beeinträchtigun¬gen seines Gesundheitszustands und seiner Konzentrationsfähigkeit geführt habe, begehrte der Beschwerdeführer auch Ersatz des hierdurch entstandenen Lohnausfalls (11.572,93 Euro). Unter Hinweis auf den Kummer und die Enttäuschung, die ihm die Verweigerung der elterlichen Sorge für sein Kind sowie des Umgangs mit ihm bereitet habe, begehrte der Beschwerdeführer auch immateriellen Schadensersatz. Die Höhe dieses Schadensersatzes stellte er in das Ermessen des Gerichtshofs. 
63. Die Regierung bestritt, dass das entgangene Kindergeld und Baukindergeld ein Schaden im obengenannten Sinn sei, da es sich dabei um staatliche Zuschüsse handele, die Familien mit Kindern zur Deckung der erhöhten Ausgaben gezahlt würden, die entstünden, wenn ein Kind oder mehrere Kinder im Haushalt leben. Da C. nie beim Beschwerdeführer gelebt habe, seien derartige Kosten nie angefallen. Der Beschwerdeführer könne auch keinen Schadensersatz wegen des Lohnausfalls verlangen, weil die Entscheidung für eine Teilzeitbeschäftigung vom Beschwerdeführer getroffen worden sei, um mit seinem Sohn zusammen zu sein, und folglich nicht darauf zurückgehe, dass ihm das Sorge- und Umgangsrecht in Bezug auf seinen Sohn versagt wurde.
64. Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Hohen Vertragsparteien sich durch Artikel 46 der Konvention verpflichtet haben, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen, wobei das Ministerkomitee dessen Durchführung überwacht. Daraus folgt u.a., dass ein Urteil, in dem der Gerichtshof eine Verletzung feststellt, den beklagten Staat rechtlich nicht nur zur Zahlung der als gerechte Entschädigung zugesprochenen Beträge an die Betroffenen, sondern auch dazu verpflichtet, unter der Überwachung durch das Ministerkomitee allgemeine bzw. gegebenenfalls individuelle Maßnahmen in seiner innerstaatlichen Rechtsordnung zu treffen, um die vom Gerichtshof festgestellte Verletzung abzustellen und den Folgen so weit wie möglich abzuhelfen. Im Übrigen ist der beklagte Staat vorbehaltlich der Überwachung durch das Ministerkomitee in der Wahl der Mittel, mit denen er seiner rechtlichen Verpflichtung nach Artikel 46 der Konvention nachkommen will, frei, sofern diese Mittel mit den Schlussfolgerungen vereinbar sind, zu denen der Gerichtshof in seinem Urteil gelangt ist (Scozzari und Giunta, a.a.O., Nr. 249). Dies bedeutet in der vorliegenden Rechtssache, dass dem Beschwerdeführer mindestens der Umgang mit seinem Kind ermöglicht werden muss.
65. Was den materiellen Schaden angeht, so weist der Gerichtshof darauf hin, dass zwischen dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Schaden und der Konventionsverletzung ein klarer Kausalzusammenhang bestehen muss (P., C. und S. ./. Vereinigtes Königreich, a.a.O., Nr. 148). Er ist der Auffassung, dass der geltend gemachte materielle Schaden nicht durch die festgestellte Verletzung verursacht wurde. Seines Erachtens hat der Beschwerdeführer allerdings aufgrund der Trennung von seinem Kind und auch in Hinsicht auf die Beschränkungen seines Umgangsrechts einen immateriellen Schaden erlitten, der durch die Feststellung einer Konventionsverletzung nicht hinreichend wiedergutgemacht wird. Gemäß Artikel 41 setzt der Gerichtshof die Summe nach Billigkeit fest und spricht dem Beschwerdeführer 15.000 Euro zu.

B. Kosten und Auslagen
66. Der Beschwerdeführer hat 2.538,23 Euro für Kosten und Auslagen vor den deutschen Gerichten und vor dem Gerichtshof verlangt, und zwar 2.189,02 Euro für Reisekosten für Besuche bei seinen Rechtsanwälten, 302,68 Euro für Porto- und Telefonkosten sowie 46,47 Euro für sonstige Kosten. Er hat die Forderungen detailliert aufgelistet. 
67. Die Regierung hat hierzu nicht Stellung genommen.
68. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass unter dieser Rubrik eine Entschädigung nur zugesprochen werden kann, soweit die Kosten und Auslagen tatsächlich und notwendigerweise entstanden sind, um die festgestellte Verletzung zu vermeiden oder ihre Wiedergutmachung zu erreichen. Insbesondere kann eine Entschädigung nicht zugesprochen werden für Kosten und Auslagen, die unabhängig davon angefallen wären, ob die Konvention durch das in Rede stehende Verfahren verletzt wurde oder nicht (siehe sinngemäß P. C. und S. ./. Vereinigtes Königreich, a.a.O., Nr. 148). Im Übrigen kann eine Entschädigung nur für Gebühren und Auslagen zugesprochen werden, die im Zusammenhang mit einer für zulässig erklärten Rüge entstanden sind (K.A. ./. Finnland, Individualbeschwerde Nr. 27751/95, 14. Januar 2003, Nr. 154). 
69. Der Gerichtshof stellt fest, dass dem Beschwerdeführer vor dem Gerichtshof Prozesskostenhilfe gewährt worden ist. Er stellt ferner fest, dass der Beschwerdeführer Ersatz der Kosten für seine anwaltliche Vertretung vor den innerstaatlichen Gerichten nicht verlangt hat. Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof nicht aufgefordert, über eine Entschädigung unter dieser Rubrik zu entscheiden. 
70. In Bezug auf die geltend gemachten weiteren Beträge stellt der Gerichtshof fest, dass es sich hierbei um eigene Kosten und Auslagen des Beschwerdeführers handelt. 
Der Gerichtshof hat zwar eine Verletzung von Artikel 8 wegen der Verweigerung des Sorge- und Umgangsrechts, nicht jedoch eine Verletzung der Artikel 6 und 8 wegen der behaupteten Verfahrensmängel festgestellt. Er entscheidet nach Billigkeit und spricht dem Beschwerdeführer einen Betrag von 1.500 Euro zu.

C. Verzugszinsen
71. Der Gerichtshof hält es für angemessen, für die Berechnung der Verzugszinsen den Spitzenrefinanzierungssatz (marginal lending rate) der Europäischen Zentralbank zuzüglich 3 Prozentpunkte zugrunde zu legen.

AUS DIESEN GRÜNDEN ENTSCHEIDET DER GERICHTSHOF EINSTIMMIG WIE FOLGT:

1. Artikel 8 der Konvention ist in Bezug auf die Verweigerung des Sorge- und Umgangsrechts verletzt worden.

2. Artikel 8 der Konvention ist in Bezug auf das Entscheidungsverfahren nicht verletzt worden.

3. Artikel 6 Absatz 1 der Konvention ist nicht verletzt worden.

4. a) Der beklagte Staat hat dem Beschwerdeführer binnen drei Monaten nach dem Tag, an dem das Urteil nach Artikel 44 Absatz 2 der Konvention endgültig wird, 15.000 Euro (fünfzehntausend Euro) in Bezug auf den immateriellen Schaden und 1.500 Euro (eintausendfünfhundert Euro) für Kosten und Auslagen, zuzüglich gegebenenfalls zu berechnender Steuern, zu zahlen.
b) Nach Ablauf der genannten Frist von drei Monaten bis zur Auszahlung fallen für die obengenannten Beträge einfache Zinsen in Höhe eines Zinssatzes an, der dem Spitzenrefinanzierungssatz (marginal lending rate) der Europäischen Zentralbank im Verzugszeitraum zuzüglich drei Prozentpunkte entspricht.

5. Im Übrigen wird die Forderung des Beschwerdeführers nach gerechter Entschädigung zurückgewiesen.
Ausgefertigt in Englisch und schriftlich zugestellt am 26. Februar 2004 nach Artikel 77 Absätze 2 und 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs.

Vincent BERGER Kanzler
Lucius CAFLISCH Präsident

Görgülü

 

26.02.2004 Görgülü gegen Deutschland
Görgülü gegen Deutschland
Beschwerde Nr.: 74969/01

www.menschenrechte.ac.at/docs/04_1/04_1_08

„Fall Görgülü“ ist die zusammenfassende Bezeichnung für mehrere deutsche Familienrechtsstreitigkeiten, in welchen ein in Deutschland lebender türkischer Staatsbürger, Kazim Görgülü, über Jahre hinweg um die elterliche Sorge für seinen Sohn sowie um ein Umgangsrecht mit ihm stritt. Die deutsche Mutter hatte den Sohn nach der Geburt einseitig und ohne Görgülüs Zustimmung zur Adoption freigegeben. Görgülü und die Kindesmutter waren nicht miteinander verheiratet. Der Fall erregte Aufsehen, weil Entscheidungen des Amtsgerichts Wittenberg zu Gunsten Görgülüs immer wieder vom Oberlandesgericht Naumburg aufgehoben wurden. Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg ist vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für mit der Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbar erklärt worden, weitere Entscheidungen des Oberlandesgerichts Naumburg sind vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben worden. Letztlich wurden die beteiligten Richter des Oberlandesgerichts Naumburg sogar wegen Rechtsbeugung angeklagt.

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